Offener Brief an den bayrischen Landtag

An den
Bayrischen Landtag
Maximilianeum
     
81627  München

Offener Brief an den Bayrischen Landtag
Ausweisung von Gewerbeflächen durch ländliche Gemeinden

Briefdatum  22.6.2018

 
Sehr geehrte Damen und Herren
 
derzeit geht das Thema Flächenfraß durch die Medien und beschäftigt aufgrund diverser Bürgerbegehren Gemeinden und sogar die Verwaltungsgerichte.
Ich selbst bin Sprecher der Bürgerinitiative Mittelstetten, Landkreis Fürstenfeldbruck, die sich mit einem Bürgerbegehren gegen die Ausweisung eines Gewerbegebietes mit einer Größe von etwa 35000 m² zur Wehr setzen. Am 22.7. ist der diesbezügliche Bürgerentscheid angesetzt.
Aus vielen Gesprächen ist erkennbar, dass auch in allen Nachbargemeinden vergleichbare Probleme existieren.
Gleichzeitig legt die Landesregierung ein Programm auf, dass die innerörtliche Verdichtung fördert und damit versucht, den Flächenfraß einzudämmen. In der politischen Diskussion auf Landesebene gibt es begleitend Ansätze, den Flächenverbau von derzeit 13 auf 5 ha je Tag zu reduzieren.
Auch das Insektenschutzprogramm findet mittlerweile sogar Einzug in die Bundespolitik.
Daher dachte ich, wäre es sinnvoll, hier auf Landkreisebene den Landrat Herrn Karmasin zu bitten, uns in der Vermeidung eines unnötigen Gewerbegebietes zu unterstützen. Herr Karmasin scheint aber von der Notwendigkeit eines Gewerbegebietes in jedem einzelnen Ort überzeugt zu sein und die ökologischen Argumente dabei völlig unbeachtet zu lassen. Seine Aussage hierzu war, dass er sich in kommunale Angelegenheiten der Gemeinden nicht einmischen möchte.
Somit stellt sich zunächst die Frage, wir und auf welchem Weg hier die Landespolitik Einzug findet in die Landkreis- und Gemeindepolitik. Flächenfraß findet eben in Gemeinden statt.
Begründet wird dies von den Gemeinden meist mit dem Bedarf an Gewerbesteuereinnahmen, auch wenn – wie in unserem Fall – der Gemeindehaushalt mit den Einnahmen aus der Einkommenssteuerzuweisung problemlos gedeckt ist.
Dass hier natürlich mehr Geld in der Tasche immer besser ist als weniger Geld ist selbstredend. Man kann mit Überschüssen schöne Gemeindeverwaltungen bauen, Personal einstellen und ist bei Instandhaltungsmaßnahmen freier. Mit neuen Feuerwehrfahrzeugen kann man auch schon mal Wähler binden.
Entsprechend fallen zwei Kernaspekte auf, die meines Erachtens die eigentlichen Gründe für den Flächenfraß darstellen:
•    Die derzeitige Struktur der Gemeindefinanzierung
•    Die Entscheidungshoheit örtlicher Kommunalpolitiker, die oft nur eine sehr eingeschränkte Interessenslage haben, weit jenseits überregionaler oder ökologischer Belange
Hieraus wären m.E. zwei Schlüsse zu ziehen:
1.    Man kann die Entscheidung des Verbaues von derzeit landwirtschaftlich genutzten Flächen oder ungenutzten Flächen nicht Gemeindebürgermeistern überlassen, hier bedarf es dringend einer Steuerung mindestens auf Landkreis-, besser aber auf Landes- oder sogar Bundesebene. Je weiter die Entscheidungsträger von örtlichen Verflechtungen entfernt sind, um so neutraler werden die Entscheidungen.
2.    Die Gemeindefinanzierung ist grundlegend zu überdenken. Je größer der Zoomfaktor wird, um so einfacher wird es, Flächen für Gewerbeansiedelungen ökonomisch und ökologisch zu optimieren und dabei auch ggfs. das Thema kurze Wege zu beachten. In unserem Landkreis gibt es viele strukturell gut gelegene Gewerbegebiete mit direkter Anbindung an Fernverkehrsstraßen und Autobahnen. Daher wäre es doch sinnvoller, innerhalb der Landkreise Gewerbezonen und eben aber auch ländliche Zonen auszuweisen, die es auch uns Bürgern ermöglichen, zu entscheiden, wie wir wohnen wollen und welche Anfahrtstrecke wir zur Arbeit in Kauf nehmen möchten.
Dementsprechend müsste die Verteilung der Gewerbesteuer mindestens landkreisbezogen erfolgen.
Wenn also der Landtag und der Bundestag es ernst meinen, mit dem Arten- und Insektenschutz und der Förderung landwirtschaftlicher Kleinbetriebe und –Strukturen und der Eindämmung des Flächenfraßes, dann muss die Federführung bei der Ausweisung weiterer neuer Bebauungsgebiete und Gewerbeflächen auf Landes- oder sogar Bundesebene geordnet werden, es müssen Spielräume geschaffen werden und jedes neue Bebauungsgebiet muss einer überregionalen Prüfung unterliegen.
Ich bitte daher um Stellungnahme, wie die diesbezüglichen landes- und bundespolitischen Ziele Einzug in die eigentlich derzeit hierfür maßgebliche Gemeindepolitik finden.
Mit freundlichen Grüßen
fISCHER & fEY Ingenieurgesellschaft mbH
Werner Fischer
Kopie an: Süddeutsche Zeitung, Fürstenfeldbrucker Tagblatt, Landrat Thomas Karmasin

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